Seit über 30 Jahren bietet die vhs Regionalverband Saarbrücken ein differenziertes Kursprogramm für funktionale Analphabeten an. Im Rahmen des 2013 unterzeichneten Grundbildungspaktes Saar wurde das Grundbildungsangebot erheblich erweitert, um für Menschen, die nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, die Chancen auf Teilnahme am beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Leben zu verbessern.
Jetzt stellte Regionalverbandsdirektor Peter Gillo die Arbeit des Grundbildungszentrums vor, das Anlauf- und Beratungsstelle für 30 000 Betroffene im Regionalverband ist. Begleitet wird dieser Aktionstag vom Alfamobil in der Fußgängerzone Bahnhofstraße. Gemeinsam mit Mitarbeitern des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung e.V. soll so die Öffentlichkeit für das Thema Analphabetismus sensibilisiert werden.
Peter Gillo: „Über 7,5 Millionen Menschen können in Deutschland nur sehr schlecht oder gar nicht lesen und schreiben und gehören zu den sogenannten funktionalen Analphabeten. Das sind Menschen, die zwar das Alphabet beherrschen und einige Wörter schreiben können. Es gelingt ihnen aber nicht, einen einfachen Text zu lesen oder einen zusammen hängenden Satz zu schreiben. Das hindert diese Menschen in vielen Fällen daran, beruflich Fuß zu fassen oder sich gesellschaftlich zu engagieren.“
„Menschen, die nicht lesen und schreiben können, haben viele Techniken entwickelt, dies nicht deutlich zu machen“, weiß Mechtild Müller-Benecke, die diesen Bereich seit vielen Jahren bei der Volkshochschule Regionalverband Saarbrücken betreut. „Entweder sie sagen, dass sie etwas nicht lesen können, weil sie `gerade´ jetzt die Brille vergessen haben. Oder sie nehmen Formulare mit nach Hause, unter dem Vorwand, sie dann noch genauer ansehen zu können und lassen sich zuhause von einer Vertrauensperson helfen“, so die Mitarbeiterin der vhs.
Doch nicht immer ist es möglich, diese Schwäche zu verbergen. Der Regionalverbandsdirektor weist darauf hin, dass die Tatsache, dass immer mehr Menschen nicht ausreichend lesen und schreiben können, sozialen Sprengstoff in sich berge. Immer mehr Menschen verließen die Schule und seien nicht in der Lage, unsere Schriftsprache richtig zu handhaben. „Sie lesen immer weniger, arbeiten manchmal in Berufen, in denen sie kaum mit Schriftsprache konfrontiert werden und schon ist das Wenige, was sie in der Schule gelernt haben, vergessen. Viele Menschen sind aufgrund ihrer Leseschreibschwäche auf Dauer arbeitslos und sind nicht in der Lage, an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen.“
Hier setze das Kursangebot des Grundbildungszentrums an. Es gebe Kurse für die Betroffenen, die gar nicht lesen und schreiben können sowie für Erwachsene, die große Rechtschreibschwierigkeiten haben, eine Frauengruppe sowie einen Kurs für Jugendliche, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen haben. Es gebe außerdem drei offene Lerntreffs, die kostenlos sind und in denen man in das Lernen „reinschnuppern“ kann. Unterstützt werde das Lernen auch durch Computer und verschiedene Lernportale. So finde gerade zum dritten Mal für die Lernenden der Kurs “Computer von Anfang an“ erfolgreich statt. Geplant sei ab September ein intensiver Grundbildungskurs für arbeitslose Teilnehmer.
Müller-Benecke: „Zu Beginn des Jahres startete das Ministerium für Bildung und Kultur eine saarländische Grundbildungskampagne „Trau Dich – lerne lesen und schreiben“ mit Radiospots, Plakaten, Flyern und einem eigenen Beratungstelefon für die Leseschreibkurse. Dieses Beratungstelefon wird durch eine langjährige Dozentin des Grundbildungszentrums Jutta Braunegger bedient. Saarlandweit konnten so schon Betroffene in die regionalen Bildungszentren vermittelt und beraten werden“
Die neuen Kurse beginnen am 14. September. Vor Beginn eines Kurses wird eine ausführliche Beratung angeboten.
Infos unter 0681/ 9 38 9 38 9 (Beratungstelefon) oder 0681 – 5064338, Mechtild Müller-Benecke
Das Grundbildungszentrum befindet sich in der Bahnhofstr. 47-49 in der Fußgängerzone in Saarbrücken in der 4.Etage.
